MetaId : 142021 Name (vollständig) : Karl Reindl
Karl Reindl war mein Onkel, seine Frau Theresia war die Schwester meines Vaters. Er gehörte zu den 42 Antifaschisten, die noch am 28./29. April 1945 auf Befehl des Gauleiters von Oberdonau, August Eigruber, vergast wurden. Es sollten nach dem Krieg keine aufbauwilligen Kräfte vorhanden sein.
Persönlich habe ich an ihn nur eine verschwommene Erinnerung: Ein stattlicher Mann mit dunklen Augenbrauen, der mir in einem Garten Kaninchen gezeigt hat. Bei Kriegsende war ich fast acht Jahre alt, da habe ich dann schon bei den sonntäglichen Familientreffen die Gespräche und Erzählungen mitbekommen. In Erinnerung ist mir geblieben, dass Onkel Karl schon früher aufgefallen ist, weil er als Eisenbahner Menschen in Viehwaggons heimlich Wasser zukommen ließ.
Viel später habe ich Fakten gesammelt: Aus einer Haftbescheinigung der Polizeidirektion Linz geht hervor, dass er gleich nach dem „Anschluss“ zweimal als Schutzhäftling und „vom 11.11.1944 bis 13.11.1944 wegen KP Betätigung für die Geheime Staatspolizei im hiesigen Polizeigefängnis inhaftiert und am 13.11.1944 von hier in das KZ. Mauthausen überstellt wurde.“
In einer „Eidesstattlichen Erklärung“ aus der Nachkriegszeit heißt es: „Der ehem.pol. Häftling, Herr Josef Binder, geb. 31.12.1894, wohnhaft […], erklärt an Eides statt, dass Herr Karl Reindl, geb. 20.2.1913, in Linz, am 29.4.1945 über Auftrag Eigrubers, um cirka 16 Uhr Nachmittag, im KL. Mauthausen vergast wurde.“
Onkel Karl war von Beruf Konditor. Aus seinem „Wanderbuch für die oberösterreichischen Herbergen für reisende Arbeitssuchende“ geht hervor, dass er von April 1933 bis Ende April 1934 arbeitslos war. Er „reiste“ damals durch fast ganz Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und bis Tirol. Eine Unterbrechung gab es von August 1933 bis März 1934. Daher konnte er sich auch an den Februarkämpfen 1934 in Linz beteiligen. Das bezeugen einige Ansichtskarten von Kameraden, die in die Sowjetunion geflüchtet sind. Er war dann bei der Reichsbahn beschäftigt und auf Strecken in Polen eingesetzt.
Da in der Kriegszeit die meisten Männer an der Front waren, leisteten die in Betrieben wie der Tabakfabrik, Schiffswerft oder der Eisenbahn unabkömmlichen Arbeiter – und besonders die Frauen – wichtige illegale Arbeiten.
Durch Verrat gab es im September 1944 eine große Verhaftungswelle, die in der oberösterreichischen illegalen Kommunistischen Partei, in Linz, Wels, Steyr bis ins Salzkammergut und Aussee, wütete. Als die Gestapo im September zu meiner Tante Resi kam, gab es gerade einen Fliegeralarm, sodass die drei Gestapomänner sofort Reißaus nahmen. Sie war sich sicher, dass man ihr nichts nachweisen konnte, weil man wusste, dass Max Grüll, der Genosse, mit dem sie zusammen gearbeitet hatte, bereits in Mauthausen erschlagen worden war und sie offenbar nicht belastet hatte. Zu ihrem Schrecken kam Karl Reindl im Oktober 1944 für drei Tage nach Hause. Offiziell, um Winterwäsche zu fassen. Gesehen hat ihn damals der Blockwart. Da es sich als zu schwierig herausgestellt hatte, zu den Widerstandskämpfern ins Salzkammergut zu gelangen, wollte er wieder zu seiner Dienststelle, um dann in Polen überzulaufen. Resi hat ihn noch zum Bahnhof begleitet. Dort sah ihn der Vorstand und rief: „Reindl, du wirst ja schon lange vermisst!“ Wer ihn verraten hat, hat man nie erfahren.
Tante Resi wurde am 23. Oktober 1944 verhaftet, kam in die Frauengefängnisbaracke am Hühnersteig (Kaplanhof), wurde von dort nach Mauthausen zum Verhör gebracht, überlebte den schrecklichen Bombenangriff vom 31. März 1945 und wurde mit den anderen überlebenden Frauen ins Arbeitserziehungslager Schörgenhub gebracht. Dort entkam sie knapp dem Befehl Eigrubers, weil Leitung und Bewachung vor den anrückenden Amerikanern flüchteten. Ihre Freundin Gisela Tschofenig, Risa Höllermann, eine unbekannte Jüdin und drei Männer wurden noch am 27. April 1945 ermordet. Ich erinnere mich bis heute an eine kahle Stelle in einer Wiese, die das Grab meiner Tante werden sollte.
Margit Kain
Margit Kain ist die Nichte von Karl Reindl, seine Frau Theresia war die Schwester ihres Vaters. Sie ist die Witwe des Schriftstellers Franz Kain (1922–1997), der in seiner Novelle Maria-Lichtmess-Nacht als erster österreichischer Autor die Ereignisse der „Mühlviertler Hasenjagd“ literarisch bearbeitet hat.
Karl Reindl was my uncle. His wife Theresia was my father’s sister. He was one of the 42 antifascists who were gassed as late as 28/29 April on the orders of the Gauleiter of Oberdonau, August Eiguber. There were to be no forces available capable of rebuilding the country after the war.
Personally I only have a blurred memory of him: a well-built man with dark eyebrows, who had showed me rabbits in a garden. At the end of the war I was nearly eight years old and at that age I could already pick up the conversations and stories at the Sunday family gatherings. I remember that Uncle Karl had already attracted attention earlier because, as a railway worker, he had secretly smuggled water to people in cattle trucks at a station.
Much later I gathered the facts: His confirmation of imprisonment from Linz reveals that he was arrested twice immediately after the ‘Anschluss’ as a protective custody prisoner and that ‘from 11.11.1944 to 13.11.1944 [he] was imprisoned in the local jail on behalf of the Gestapo for KP [Communist Party] activities and transferred from here to Mauthausen concentration camp on 13.11.1944.’
A ‘declaration under oath’ from the postwar period states: ‘The former political prisoner, Herr Josef Binder, born 31.12.1894, residing […], states under oath that Herr Karl Reindl, born 20.2.1913, in Linz, was gassed on 29.4.1945 on Eigruber’s order, at around 4pm, in Mauthausen concentration camp.’
Uncle Karl was a patissier by profession. From his copy of the Wanderbuch für die oberösterreichischen Herbergen für reisende Arbeitssuchende (Travel guide to Upper Austrian boarding houses for travelling job seekers) we learn that he was unemployed from April 1933 to the end of April 1944. During that time he ‘travelled’ through most of Upper Austria, Lower Austria, Salzburg and into Tyrol. There was a break from August 1933 to March 1934. This could indicate that he participated in the fighting in Linz in February 1934. Some postcards sent by comrades who fled to the Soviet Union also points to this. He was then employed on the railways and assigned to routes in Poland.
Since most men during the war were at the front, workers who were essential to their employers, the tobacco factory, the dockyard, the railway and especially women undertook important illegal work.
Betrayal led to a large-scale wave of arrests in September 1944, which ravaged the illegal Upper Austrian Communist Party, in Linz, Wels, Steyr through to the Salzkammergut region and Lake Aussee. When in September the Gestapo came to see my Aunt Resi, an air raid alarm had just sounded and the three Gestapo men immediately took to their heels. She was sure that they had nothing on her because she knew that Max Grüll, the comrade with whom she had worked, had already been beaten to death in Mauthausen and had obviously not given her away. To her horror Karl Reindl came home for three days in October 1944. Officially in order to pick up winter underwear. The Blockwart[1] saw him during this time. Since reaching resistance fighters in the Salzkammergut turned out to be too difficult, he decided to return to his post in order to abscond in Poland. Resi even accompanied him to the station. There the station master saw him and called out: ‘Reindl, you’ve been missing a good while!’ We never found out who had betrayed him.
Aunt Resi was arrested on 23 October 1944, was sent to the women’s prison barracks on the Hühnersteg (Kaplanhof), was taken from there to Mauthausen for interrogation, survived the terrible air raid of 31 March 1945 and was taken with the other women who had survived to the Schörgenhub work re-education camp. There she narrowly avoided falling victim to Eigruber’s order because the administration and guards had fled the approaching Americans. Her friends Gisela Tschofenig, Risa Höllermann, an unknown Jewish woman and three men were murdered as late as 27 April 1945. To this day I remember a bare patch of ground in a field that was to have been my aunt’s grave.
Translation into English: Joanna White
[1] Translator’s note: the Blockwart was a low-ranking functionary of the NSDAP responsible for the political supervision of a neighbourhood, typically 40 to 60 households.